Informationsveranstaltung über den Weg zur Ganztagsbetreuung in den Grundschulen am 4. Mai 2023
Von verbummelten Gesetzen, Unbedenklichkeitsbescheinigungen und dem „kooperativen Ganztag“
Kahl. Ab 2026 kommen die ersten Schüler in die Grundschule, die einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Eltern können dann einklagen, dass ihr Kind montags bis freitags acht Stunden betreut wird – und auch im Großteil der Ferien. Wie aber sieht die Betreuung konkret aus, und was bedeutet das für die Landkreisgemeinden? Zu diesen Fragen hatten die Grünen am Donnerstag zu einer Info-Veranstaltung in die Kahler Festhalle eingeladen.
Für viele Kommunen bedeutet der Ganztagsanspruch ab 2026 vor allem eines: Sie müssen ihre Schulen erweitern oder umbauen. Dazu hat der Bund 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Mittlerweile gebe es außerdem vom Freistaat ein „Landesförderprogramm Ganztagsausbau“, erläuterte Ursula Sowa, bildungspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion.
Allerdings existierten bislang nur Eckpunkte dieses Förderprogramms, und auch das erst seit dem 30. März, sagte sie. Ein wesentlicher Baustein des Programms: Für jeden Betreuungsplatz würden pauschal 4500 Euro gezahlt, für Hortplätze sogar 6000 Euro. Problematisch für die Kommunen sei es, dass es bislang noch kein Gesetz für dieses Förderprogramm gebe. „Das wurde sträflich verbummelt“, kritisierte sie.
Damit die Kommunen trotzdem schon mit den Planungen und den Baumaßnahmen anfangen könnten, erteile das zuständige Ministerium seit August 2022 so genannte „Unbedenklichkeitsbescheinigungen“. Wie hoch der Zuschuss aber genau ausfalle, sei damit immer noch unklar: „Das bedeutet für die Kommunen Planungsunsicherheit.“
Die Grünen hätten zusätzliche Forderungen an den Ganztagsausbau, so Sowa. Bei den Baumaßnahmen sollten alle Gruppen – Eltern, Schüler, Lehrer – beteiligt werden, zitierte sie aus einem Positionspapier der Landtagsgrünen. Die Räume für die Ganztagsbetreuung sollten zudem kindgerecht und inklusiv sein. Sowa forderte auch eine bessere Personalausstattung, eine gesetzliche Ausgestaltung des Qualitätsanspruchs der Ganztagsangebote und die Einrichtung von „Ganztagskoordinationsstellen“.
Diese könnten zum Beispiel in den Regierungsbezirken geschaffen werden als Anlaufstelle für Kommunen und Schulen. Um die benötigten zusätzlichen Fachkräfte zu bekommen, sprechen sich die Grünen zudem für eine bessere Vergütung, flexiblere Arbeitszeitmodelle, Quereinstiegsmodelle oder vergütete Praktika für Studierende aus.
Wie die Betreuung der Kinder genau aussehen kann, skizzierte Monika Hartl. Sie ist nicht nur Landtagskandidatin der Grünen für den Wahlkreis Aschaffenburg-Ost, sondern auch Förderschullehrerin und Vorsitzende der Gewerkschaft GEW in Unterfranken. Derzeit gebe es vier Modelle der Nachmittagsbetreuung: die gebundene Ganztagsschule, die offene Ganztagsschule, den Hort und die Mittagsbetreuung. Neu hinzukommen soll ein fünftes Modell: der so genannte „kooperative Ganztag“. Gemeint ist damit ein Hort, der aber eng mit der Schule verzahnt ist.
Zu diesem „kooperativen Ganztag“ soll es am 15. Mai eine Info-Veranstaltung im Landkreis geben, teilte Thomas Mütze mit. Er kandidiert bei der Landtagswahl im Wahlkreis Aschaffenburg-West und ist Leiter einer Grund- und Mittelschule. In der Stadt Aschaffenburg sei aktuell die offene Ganztagsschule das vorherrschende Modell, berichtete er. Die Stadt rechne damit, dass 80 Prozent aller Schüler eine Betreuung in Anspruch nehmen werden.
Im Landkreis bietet sich ein anderes Bild. Sie habe die rund 30 Grundschulen angeschrieben und von zehn eine Rückmeldung erhalten, sagte Hartl. Das Ergebnis: Im Landkreis gebe es vor allem die Mittagsbetreuung und Horte. 70 Prozent der Schulen rechneten mit einer Zunahme des Betreuungsbedarfs. 50 Prozent würden davon ausgehen, dass Räume fehlten.
Die Betreuungssituation in Kahl skizzierte Stephan Pösse, Bürgermeisterkandidat der Grünen. An der staatlichen Grundschule gebe es schon seit 29 Jahren eine Mittagsbetreuung, außerdem eine Ferienbetreuung und zusätzlich eine Hausaufgabenbetreuung. In Zukunft rechne die Gemeinde mit einem Bedarf an 250 Betreuungsplätzen – derzeit sind es 130. Der Architekt für den Umbau der Kaldaha-Schule sei zwar schon beauftragt, allerdings fehle bislang noch ein Konzept. Welches Betreuungsmodell Kahl wähle – diese Entscheidung sei „noch am Reifen“.
Zudem gebe es die private Paul-Gerhardt-Schule mit einem offenen Ganztagsangebot. Deren Grundschulleiterin, Angelika Wunderlich, war am Donnerstag auch mit in der Festhalle. Etwa 20 Interessierte waren zur Veranstaltung gekommen, darunter mehrere Gemeinderäte aus Kahl und den Nachbargemeinden.
Verfasst von Michael Hofmann, herlichen Dank!